Zu hübsch ist sein Südtiroler Käse, um gegessen zu werden, zu verführerisch, um als Zierde in der Vitrine zu landen. 120 Käsesorten bietet Baumgartner in seinem Laden „DeGust“ in Vahrn bei Brixen an. 30 davon sind Eigenkreationen, die so bizarre Namen haben wie „Golden Gel”, „Kloatznkas”, „Orsino”, „Lupus” oder „Farmaticus”. Der Käsekünstler verfeinert Rohmilchkäse von Kuh, Ziege und Schaf mit Kräutern, Heu, Äpfeln, Traubentrester, Ringelblumentee, Tomaten oder Kakao. „Miwa“ heißt sein Lieblingskäse: Ziegenkäse affiniert mit Algen – eine Idee seines japanischen Freundes.
Angefangen hat Baumgartners Käsemanie vor rund 15 Jahren. Damals war er noch Chefkoch in seinem eigenen Sterne-Restaurant „Pichler” in Mühlbach. Immer auf der Suche nach neuen Geschmackserlebnissen, stellte ihm ein benachbarter Bauer eines Tages zwei Kilo Ziegenfrischkäse in die Küche. Welch Zufall: Baumgartner hatte zu dieser Zeit gerade beschlossen, die triste Südtiroler Käselandschaft aufzumischen: „Wir waren stark in der Milchwirtschaft, im Käsesektor waren wir allerdings schwach.“ 850 Kunden beliefert der ausgebildete Käseaffineur heute im In- und Ausland. Feinkostläden, Spitzengastronomen und Privatleute gehören zu seinen Fans.
Milchgoldschmied Südtiroler Käse
Der Beruf ist irgendwo angesiedelt zwischen Künstler, Parfümeur und Altenpfleger. Baumgartners Sinne arbeiten im Kreativprozess auf Hochtouren. Ähnlich wie Kunstschaffende sucht er ständig nach neuen Ideen, probiert aus, sammelt zu jeder Tages- und Nachtzeit Anregungen. Ist das Rezept der Käseveredelung einmal gefunden, steht die Pflege im Vordergrund, was aufwendig und anstrengend ist: Der „gute Heinrich“ wird wöchentlich gewaschen, der „Alplagrein“ bekommt zwei Mal im Monat eine Traubentrester Abreibung, dem „Noagnlailich“ schüttelt Baumgartner täglich sein Heubett zur Reife auf. Südtirols Käsespezialist affiniert derart raffiniert, dass seine Kunden zu Wiederholungstätern werden. Die Platzhirsche Camembert, Emmentaler & Co haben in Südtirol starke Konkurrenz bekommen, was Baumgartner diebisch freut: Er wirbt für Produkte, die für Qualität stehen. Die Natur voll auskosten. Das spornt ihn an.
Hansi Baumgartner Philosophie
Lehrmeister: „Die Tradition lehrt uns vieles. Die Käsereifung in Asche, Stroh und Weizenkleie war früher bereits gang und gäbe.“
Pionierarbeit in Sachen Ziegenkäse: „Meine Kollegen haben geschmunzelt. Wie kann man seinen Gästen nur Ziegenkäse anbieten… Jetzt lache ich: Unsere Ziegenkäse-Variationen sind der Renner.“
Seine Philosophie: „Mir gefällt das Sprichwort von Zig Ziglar: „Ziele sind Träume, die wir in Pläne umsetzen; dann schreiten wir zur Tat, um sie zu erfüllen!“
Informationen
Alle zwei Jahre im März findet in Sand in Taufers das „Südtiroler Käsefestival“ statt. 50 Aussteller präsentieren den rund 10.000 Besuchern 500 internationale Käsesorten. Das Programm beinhaltet Tagungen, Verkostungen, Schaukochen bis hin zu Gaudiveranstaltungen wie „Wettmelken“. www.kaesefestival.com
Südtirols typischster Käse ist der Graukäse. Der aus entrahmter Kuhrohmilch hergestellte Sauermilchkäse zeigt im Geschmack bittere, würzig-rassige Aromen, die heute kaum sonst noch zu finden sind. In den vergangenen Jahren erlebte der Graukäse in der Südtiroler Spitzengastronomie eine Renaissance.
Die Jochalm als eine der höchstgelegenen Käsereien Südtirols (1.965 m) produziert täglich von Juni bis September aus 1.000 Litern Almfrischmilch ca. 100 kg Käse, Joghurt und Butter pro Tag. Angegliedert ist eine kleine Schaukäserei. www.jochalm.it